
„Da das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist“, beabsichtigte das Zweite Vatikanische Konzil, „die gegenseitige Kenntnis und Achtung zu fördern“ (Nostra Aetate 4,5). Unsere Seminargemeinschaft folgte im Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ diesem Auftrag der Konzilsväter und widmete ihren Schulungstag am 13. November Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens in Frankfurt.
Nach der gemeinsamen Heiligen Messe in der Seminarkirche machten wir uns auf dem Weg zur Paulskirche, wo ein geführter Stadtrundgang mit Schwerpunkt auf der jüdischen Historie Frankfurts begann. Dabei konnten wir nicht nur unser stadtgeschichtliches Wissen im Allgemeinen auffrischen, sondern auch lernen, dass für die traditionsreiche Handels- und Messestadt am Main bereits Mitte des 12. Jahrhunderts jüdisches Leben urkundlich belegt ist. Wohnten die Juden zunächst hauptsächlich in einem Viertel in unmittelbarer südlicher Nachbarschaft des sogenannten „Kaiserdoms“ Sankt Bartholomäus, lebten sie vom 15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts in der äußerst beengten Judengasse am damaligen Stadtrand. Davon zeugt heute das Museum Judengasse in der Nähe des Börneplatzes und des Denkmals für die Frankfurter Opfer der Shoah, welches wir nachmittags besuchten. Nicht zuletzt erfuhren wir vom enormen bürgerschaftlichen Engagement vieler Frankfurter Juden als Mäzene sozialer und kultureller Projekte.
Anfang des neuen Jahres wird eine hiesige Rabbinerin im Priesterseminar einen Vortrag halten und die thematische Arbeit des Schulungstages fortführen. Soviel steht jetzt schon fest: Katholische Theologie lässt sich nicht betreiben, ohne über das Judentum nachzudenken. Der Kontakt mit Geschichte und Geschehen vor Ort hilft dabei zur Konkretion. So beteten wir mit neuen Eindrücken im Hintergrund und vielleicht ein wenig bewusster die Psalmen der ersten Vesper vom Sonntag, die unseren Schulungstag beschloss.
Johannes Gold